50 Jahre muttersprachlicher Unterricht
Am Donnerstag, dem 1. Juni 2023, wurde in Innsbruck ein besonderes Jubiläum gefeiert: Seit 50 Jahren findet in Österreich der so genannte „muttersprachliche Unterricht“ statt, 30 Jahre davon im Regelschulwesen.
15 Sprachen werden derzeit in Tirol angeboten
Bei der Veranstaltung im Landhaus haben Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und Lehrpersonen aus 15 Sprachgruppen ihre Muttersprache präsentiert. Unter dem Motto „Zwei Sprachen meines Herzens“ haben sie in Form von Liedern, Sketches und Präsentationen bewiesen, dass sie nicht nur eine Muttersprache, sondern mehrere „Herzenssprachen“ haben. Beispielsweise haben Schülerinnen und Schüler zweisprachig erklärt, welche Rolle Spanisch und Deutsch in ihrem Alltag spielen, die Regionen Italiens in Gedichtform vorgetragen oder sich in Form eines chinesischen Liedes damit beschäftigt, wie eine glückliche Welt in Zukunft aussehen kann.
„Zahlreiche Studien belegen, dass das Beherrschen der Muttersprache für ein erfolgreiches Erlernen der deutschen Sprache enorm wichtig ist. Daher freut es mich besonders, dass in Tirol seit 50 Jahren auch andere Muttersprachen einen Platz im Stundenplan haben und wir damit unsere sprachliche Vielfalt erhalten sowie die multilinguale Bildung, auf Basis der Muttersprache, zielführend fördern. Sprache ist viel mehr als ein Kommunikationsmittel – Sprache ist Kultur, Tradition, Gefühl und Heimat“, betont Landeshauptmann-Stellvertreter und Integrationslandesrat Dr. Georg Dornauer anlässlich der Veranstaltung.
„Sprache prägt unsere Identität sowie unsere Gesellschaft wesentlich und ist das wichtigste Medium, mit dem wir kommunizieren. Sprache ist daher essenziell für unsere Persönlichkeitsentwicklung. Jede und jeder sollte daher die Möglichkeit erhalten, die Kompetenzen in der Muttersprache im Unterricht zu vertiefen. Das Angebot des muttersprachlichen Unterrichts unterstützt genau diesen Gedanken der sprachlichen Vielfalt in Tirol und ermöglicht seit bereits 50 Jahren unseren Schülerinnen und Schülern neben der Schulsprache Deutsch auch ihre eigene Muttersprache zu fördern“, hebt Bildungslandesrätin Dr.in Cornelia Hagele die Bedeutung des Schulangebots hervor.
2.100 Schüler*innen profitieren im laufenden Schuljahr vom muttersprachlichen Unterricht
Laut einer Erhebung des Bildungsministeriums hatten in Tirol im Schuljahr 2018/19 insgesamt 13,2 % der Schülerinnen und Schüler eine andere Erstsprache als Deutsch. Es ist daher wichtig, diese weiteren Mutter- oder Herzenssprachen zu fördern. Während in vielen Familien die Muttersprachen zuhause oft gesprochen werden, liegt ein Fokus des muttersprachlichen Unterrichts auch auf der Förderung der schriftlichen Fertigkeiten.
„Der muttersprachliche Unterricht zeigt, dass wir in einem offenen Staat leben dürfen. Vielfalt ist eine große Chance. Nicht zuletzt profitiert Tirol auch als Wirtschaftsstandort davon, wenn Sprachen gefördert werden“, erklärt Bildungsdirektor Dr. Paul Gappmaier. „Meine besondere Wertschätzung gilt den Lehrpersonen des muttersprachlichen Unterrichts, die teilweise durch mehrere Tiroler Bezirke pendeln, um an möglichst vielen Standorten Unterricht anbieten zu können.“
Fakten zum muttersprachlichen Unterricht
Im Schuljahr 1972/73 wurde in Österreich erstmals muttersprachlicher Unterricht in Serbokroatisch, Slowenisch und Türkisch angeboten. Durch eine Lehrplanänderung für Pflichtschulen im Jahr 1992 wurde der Unterricht in der jeweiligen Muttersprache weiter gestärkt und ab dem Schuljahr 1993/94 in den Regelunterricht übernommen. Mit der aktuellen Lehrplanreform wurde das Fach in „Erstsprachenunterricht“ umbenannt.
Im Schuljahr 2022/23 besuchen in Tirol über 2.100 Schülerinnen und Schüler den muttersprachlichen Unterricht in 15 Sprachen. Der Unterricht wird in insgesamt 117 Gruppen im Ausmaß von jeweils 2-3 Wochenstunden angeboten. Häufig besuchen den Unterricht an einem Standort Kinder und Jugendliche von mehreren Stammschulen. Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrpersonen pendeln dabei teilweise von weit her.
Derzeit werden in Tirol folgende Sprachen angeboten: Arabisch, Bosnisch/Kroatisch/Serbisch, Bulgarisch, Chinesisch, Französisch, Italienisch, Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Russisch, Spanisch, Türkisch, Ukrainisch, Ungarisch
Der muttersprachliche Unterricht kann als unverbindliche Übung (ohne Benotung) oder als Freigegenstand (mit Benotung) besucht werden. An Gymnasien kann der muttersprachliche Unterricht auch als Maturafach gewählt werden, wenn er mindestens 3 Jahre lang besucht wurde.
Damit das Angebot zustande kommt, werden mindestens 8 Anmeldungen benötigt. Anmeldungen für das kommende Schuljahr sind direkt bei der Schule des Kindes bis zum Beginn der Sommerferien möglich. Dort erhalten die Eltern auch die Anmeldeformulare.
Weitere Informationen und Anmeldeformulare finden sich auch unter diesem Link.